Herterichs Rasiermesser

Der schottischen Logiker und Franziskanerpater William von Ockham hat um 1340 das Sparsamkeitsprinzip der Erklärungen beschrieben:

„Von mehreren möglichen Erklärungen für denselben Sachverhalt, solltest du die einfachste Theorie vorziehen“.

Dieses Vorgehen wird seitdem als Ockhams Rasiermesser (engl. Occam's Razor) bezeichnet.

Ich habe mir ein ähnliches Vorgehen für unerklärliche oder unbestimmte Sachverhalte ausgedacht. Aber mit einer anderen Zielsetzung. Ein „Razor“ ist es aber doch:

„Wenn es mehrere Möglichkeiten einer  unbestimmbaren Situation gibt, dann nimm einfach diejenige, die Dir am angenehmsten ist.
Oder anders ausgedrückt: Plage Dich nicht mit der Vorstellung der schlimmsten Möglichkeit ab; stelle Dich auf die beste ein!“

Das ist eigentlich das Gegenteil von Murphys Law („was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen“). Es geht mehr in die Richtung des anderen Dr. Murphy („Die Kraft des positiven Denkens“).

 

Das heißt nicht, dass wir einfach unbedarft in die Zukunft leben sollen: Keinen Sicherheitsgurt im Auto anlegen, keine Feuerversicherung abschließen, keine Blitzableiter installieren.
Wenn es  -und wenn eine noch so geringe- Wahrscheinlichkeit des Eintreffens von unerwünschten Ereignissen gibt, muss man selbstverständlich das Ausmaß des möglichen Schadens gegen die (Un-)Wahrscheinlichkeit abwägen. Doch dies ist eine völlig andere Geschichte!

Meine Adaption von Occams Razor gilt streng genommen nur bei vollständiger Ungewissheit!

Die Philosophen und alle Religionen stellen sich die 3 Fragen „Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Wie soll ich leben?“ Davon sind die beiden ersten völlig ungewiss. Niemand weiß, woher wir kommen und wohin wir gehen. Da helfen auch die Tausenden von Büchern, welche die Philosophen geschrieben haben, nicht weiter!
Warum sollten wir uns dann eine „belastende“ Lösung auswählen? Und uns dadurch das Leben schwer machen.

Ein Beispiel zur ersten Frage:

Gibt es einen Gott?

Hat er „nur“ den Startschuss (den Urknall) gegeben und kümmert sich ansonsten nicht mehr um das Universum. Die Philosophie nennt das „Deismus“. Da hat man auch keine Schwierigkeiten mit der Theodizee (warum lässt der Allmächtige das Böse, das Leid und den Schmerz zu? Warum lässt er mein Kind sterben?).

Oder ist er persönlich ständig allgegenwärtig? Man kann ihn anrufen und zu ihm beten. Und wenn man Glück hat, dann hilft er einem aus der Misere.

Oder ist er in jedem Stein, jedem Baum, jedem Lebewesen? Als Urkraft. An diesen „Animismus“ glaubten die Indianer und waren damit zufrieden bis die (christlichen) Missionare kamen.

Suchen Sie sich die Möglichkeit aus, mit der Sie am besten zurechtkommen. Wer das tägliche Gebet und die Zwiesprache braucht, für den ist der persönliche Gott der Richtige. Für Antroposophen ein anderer.

 

Ein Beispiel zur zweiten Frage:

Keiner weiß, was nach dem Tod auf uns zukommt. Die Christen und Moslems glauben an den Himmel und die Hölle (je nachdem, wie man gelebt hat).
Die Reinkarnisten an die Wiedergeburt. Ebenso die Hindus und Buddhisten.
Physiker sagen, dass die „Festplatte“ Gehirn gelöscht wird und dass dann aus Ordnung wieder Unordnung entsteht (sie nennen das Entropie; und die wird notgedrungen größer, wenn keine Energie zugeführt wird). Dass dann also das „Nichts“ kommt.
Mein Sohn Felix hat mir mit 6 Jahren erklärt, dass man dann wieder dort ist, wo man vor der Geburt war (das war auch die Meinung meines Lieblings-Philosophen Lichtenberg).
Ich persönlich glaube an eine neue Existenz in einem anderen Universum (ich habe das auf meiner Website „http://helmuth-herterich.jimdo.com/“ beschrieben). So etwas wie die Metamorphose der Raupe zum Schmetterling.

Was tun? Keiner weiß es.
Auch die christliche Kirche nicht. Mit großem Pomp und Überzeugungskraft behauptet sie seit 2000 Jahren das Geheimnis der Frage "Wo gehe ich hin?" gelöst zu haben. Aber auch sie spricht nicht vom "Wissen", sondern gerechterweise vom "Glauben". Und dass Milliarden von Menschen irgendetwas "glauben", heißt nicht, dass es stimmt. Man denke nur an die Vorstellung, dass die Erde eine Scheibe sei. Wer etwas anderes behauptete -wie Giordano Bruno noch im Jahre 1600-  wurde (bezeichnenderweise von der "Kirche") auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Da es keiner weiß, sucht man sich nach „Herterich’s Razor" das beruhigendste aus. Natürlich nicht die Hölle oder eine Wiedergeburt als Bandwurm! Sondern je nach Vorliebe ein Wiedersehen mit den Vorfahren (Wikinger), den traumlosen Schlaf (Platon, Sokrates) oder die ewigen Jagdgründe (Indianer)

 

Ein weiteres Beispiel aus dem täglichen Leben:

In meinem Bekanntenkreis hat sich ein Mann (nennen wir ihn Hans) mit 2 Flaschen Genever ins Jenseits getrunken. Einen Abschiedsbrief gibt es nicht. Da er unter Depressionen litt, nimmt seine Freundin (nennen wir sie Maria) an, er habe Suizid begangen, macht sich verständliche Vorwürfe und leidet so, dass sie arbeitsunfähig ist. Ich habe Maria von „Herterichs’s Razor“ überzeugt. Jetzt sind wir alle der Meinung, er habe sich betrinken wollen und leider zu viel erwischt. Es war ein Unfall. Keiner hat Schuld!

 

Ich bin fest davon überzeugt, dass der Geist die Materie beherrscht.
Vielleicht bietet meine Methode eine Möglichkeit, dem einen oder anderen die Angst vor dem Ungewissen, vor dem möglicherweise Schrecklichen zu nehmen.
Auf jeden Fall entzieht sie der Religion das „Fallbeil der Hölle“. Schaden tut sie auf jeden Fall nicht!